Heldengeschichte oder griechische Tragödie? Der 1. FC Köln als Sisyphos

6.4.2020

Kennt Ihr Sisyphos? Von den Göttern bestraft musste er einen riesigen Felsbrocken einen riesigen Berg hoch rollen. Und immer, wenn er fast oben angekommen war, verließen ihn die Kräfte und der Fels rollte wieder ins Tal. So musste Sisyphos immer wieder von vorne anfangen musste. In unserer kölschlive-Ausgabe von Dezember 2017 meint Autor Michael Greiss, dass es als FC-Fan ziemlich leicht fällt, sich mit diesem Sisyphos zu identifizieren...

Während meiner Schulzeit war ich ein großer Fan der griechischen und römischen Mythologie. Da gab es coole Typen, skurrile Charaktere und Helden. Ob Zeus, Ares, Hercules, Achilles oder Odysseus. Ich mochte die Sagen und Geschichten, die mit ihnen verbunden waren. Es gab Helden, aber auch tragische Figuren. Eine davon war Sisyphos. Jeder kennt den Begriff „Sisyphos-Arbeit“, für etwas, das ewig dauert und nie Ertrag bringt. Der Sage nach war Sisyphos einer der lebenslustigsten, aber auch gerissensten Menschen, der unter anderem auch den Tod mehrfach austrickste. Irgendwann hatten die Götter aber genug. Der arme Sisyphos musste von nun an einen riesigen Felsbrocken einen riesigen Berg hoch rollen. Und immer, wenn er fast oben angekommen war, verließen ihn die Kräfte und der Fels rollte wieder ins Tal. So musste Sisyphos immer wieder von vorne anfangen musste. Als FC-Fan fällt es ziemlich leicht, sich mit diesem Sisyphos zu identifizieren.

Unsere Strafe begann 1998. Und wie bei Sisyphos, weiß eigentlich keiner so genau, warum wir diese Strafe bekamen. Aber seit dieser Zeit, dem ersten Abstieg, ist unser „Fels“ der FC, den es seitdem gilt, wieder „auf den Gipfel zu rollen“. Zuerst sammelt man im „Tal 2. Liga“ die Kräfte, bringt dann den „Stein ins Rollen“ und schiebt und schiebt. Über 34 Zweitligaklippen hinweg bis man wieder auf der „Bundesliga-Höhe“ angelangt ist. Doch dieser Berg wird zur Spitze hin immer steiler. Man hat kaum Halt und muss auch ein wenig auf das Glück hoffen oder darauf, dass die Kräfte nicht nachlassen, dass keine fremden Einflüsse stören.

Der FC hat, wie Sisyphos, die unterschiedlichsten Versuche angestrengt, um den Gipfel, der da nicht heißt „Meisterschaft“, sondern „etabliert in der Bundesliga“, zu erreichen. Mal war man naiv und wollte alles auf einmal, glaubte einige Schritte überspringen zu können. Mal brauchte man ewig, um sich wieder aufzuraffen, aber immer schaffte man es zumindest in die Sichtweite, des o.g. Gipfels. Mal schwanden die Kräfte, weil man sich „unten“ übernommen hatte, mal hatte man Pech, weil sich durch die Plackerei zu viele Verletzungen ergaben. Mal hatte man einfach Pech mit Schiedsrichtern oder den Launen des Fußballgottes.

Aber auch, als die Stimmung am schlimmsten war, die Kräfte und die Mittel auszugehen schienen, 2012-2013, raffte man sich wieder auf. Dieses Mal ohne großes Hurra. Man versuchte den „Pfad der kleinen Schritte“, investierte nicht so viel, wie früher, setzte auf junge „Helfer“ und ging Schritt für Schritt. Und dieses Mal schaffte man es so weit, wie nie zuvor. Die drei schwierigsten Todesklippen, „Aufstiegsjahr“, „das schwere 2. Jahr“ und auch die schwierigste, „das 3. Jahr“ wurden genommen. Man erreichte eine Ebene „Europa“, von der aus man die ganze Welt sehen konnte. Ein unglaublich schöner, aber verklärender Blick. Denn niemand glaubte, dass der Fels nun nochmal bergab rollen könnte. Nicht, dass man dem mythischen „Kölschen Größenwahn“ verfiel oder gar nachlässig wurde. Selbst die Beobachter, außerhalb Kölns, wähnten den FC „angekommen“. Aber so viel Pech, nicht nur mit Verletzungen, auch mit Schiedsrichterentscheidungen scheint wohl einmalig. Und so scheint der Fels wieder unerträglich schwer und droht erneut ins Tal 2.Bundesliga“ zu rollen.

Es ist soooo traurig! Sisyphos ist auch ein Sinnbild für Verlustängste. Man hat zu keiner Zeit die Möglichkeit, das Erreichte abzusichern, irgendwo festzumachen. Etwa so, dass man nicht mehr ganz so tief im Tal starten müsste. Nein! Unmöglich! Auch all das Schöne, was der FC sich aufgebaut hat, wird wieder zerstört. Großartige, junge Spieler, die zu Leistungsträgern oder gar Nationalspielern reiften, werden gehen. Mit viel Glück wird man die Talente halten können. Für die wäre es eine Herausforderung. Auch T. Horn, Hector, Wimmer und Co. wären nicht zu so viel Einsätzen gekommen, wäre der FC nicht abgestiegen. Und so klammert man sich jetzt bereits an Gedanken, dass J. Horn, Queiros, Guirassy, Handwerker, Klünter sich dessen bewusst sind und ggf. bleiben. Vielleicht ja auch Heintz oder Bittencourt.

Aber ich sehe mich da in der Tradition Sisyphos, dem auch ein gewisser Optimismus nachgesagt werden kann. Denn sonst würde er es nicht immer wieder versuchen. Und vielleicht ist es der düstere, triste November, der mir momentan ein wenig die Stimmung verhagelt. Dennoch ist der „Fels nicht im Tal“. Wir haben noch beide Hände dran, stemmen unseren Körper dagegen und werfen alle Kraft in diese Aufgabe. Wer weiß? Vielleicht haben „die Götter“ ja ein Einsehen und setzen unserem Leiden ein Ende. Vielleicht wandelt sich dieses entsetzliche Pech bald in Glück. Wie ging die Sache mit Sisyphos aus? Das weiß keiner so genau! Aber als kölscher Berufsoptimist behaupte ich mal, dass er es irgendwann geschafft hat. Oder ist irgendjemandem bekannt, dass da ein alter Mann in Griechenland noch immer Felsen bergauf rollt?

Nein, also... Alles wird gut!!!