"Ich bin fest vom Klassenerhalt überzeugt" - Alexander Wehrle im Interview

20.12.2019

Die Hinrunde neigt sich dem Ende zu, der FC hat es zuletzt geschafft mit zwei Siegen aus zwei Spielen etwas Boden im Kampf um den Klassenerhalt gut zu machen. Für die heute erscheinende Ausgabe von kölschlive hat sich unser Redaktionsleiter Werner Mason mit FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle zum Interview getroffen und viele spannende Themen angesprochen. 

Wie groß war die Erleichterung als der neue Trainer und Geschäftsführer Sport gefunden wurde?

Zielsetzung war, mit dem neuen Trainer das Leipzig-Spiel vorzubereiten. Es ist gut, dass wir das dann parallel so hinbekommen haben, dass auch die Position des Geschäftsführers Sport bestellt werden und er in die Besetzung des Trainerpostens mit einbezogen werden konnte. Ich bin natürlich auch froh, dass beide Positionen besetzt sind.

Fühlt man sich ein wenig als letzter Mohikaner? Wenn man zurückblickt, dann bist Du der letzte, der von der Führungsriege seit 2013 noch übriggeblieben ist.

Wenn man das so sieht, von 2013 beginnend, dann ist es richtig. (lacht) Es gibt aber schon einige Mitarbeiter, die noch länger hier sind oder kurz nach mir hier angefangen haben. Es ist Teil meiner Verantwortung, in guten wie in schlechten Zeiten weiter die Kontinuität zu wahren und dann zusammen mit Vorstand und den Gremien die wichtigen Schlüsselpositionen zu besetzen.

Worauf kommt es in der Zusammenarbeit mit Horst Heldt besonders an? Welches sind die Nahtstellen, wo müsst ihr besonders gut agieren?

Im Moment kommt es darauf an, wieder Ruhe und Stabilität in den Verein zu bekommen und dabei auch nach außen wieder ein seriöseres Bild abzugeben. Perspektivisch ist es wichtig auf Geschäftsführer-Ebene, dass man sich aufeinander verlassen, sich vertrauen kann, eine gemeinsame Grundausrichtung und auch ein gemeinsames Verständnis für die strategische Ausrichtung hat. Das ist das Idealbild.

Die Presse, am meisten natürlich die lokale Presse, macht es den Verantwortlichen gerade in Krisenzeiten nicht leicht. Wie viel Arbeitszeit wird bei Dir durch Pressearbeit in Anspruch genommen?

Profifußball ist öffentlich. Es wird viel berichtet, viele sprechen mit. Das ist Normalität und ist ein Stück weit ja auch gut so. Wenn sich keiner für uns interessieren würde, dann hätten wir etwas falsch gemacht. Wenn man so eine Aufgabe annimmt, dann muss man sich dessen bewusst sein, dass man auch öffentlich Druck aushalten muss, auch was die eigene Person angeht. Das gehört dazu. Wenn man nicht bereit ist, das zu akzeptieren, dann darf man so eine Aufgabe nicht übernehmen.

Wie sehr wurmt und ärgert es Dich, wenn falsche Dinge in der Presse stehen?

Wenn wirklich falsche Meldungen oder Lügen verbreitet werden, dann muss man dagegen vorgehen. Das habe ich ja auch in dem Fall gemacht, als mir vorgeworfen worden ist, ich hätte mit meinem Rücktritt gedroht, wenn man Achim Beierlorzer entlassen würde. Das war einfach falsch, das stimmt nicht und das haben wir klargestellt. Komplett falsche Meldungen oder Lügen dürfen nicht unkommentiert stehen bleiben.

Wie sehr werden Verhandlungen mit einem neuen Trainer oder Geschäftsführer durch die Presse erschwert?

Die öffentlichen Kommentierungen und Spekulationen muss man aushalten. Wichtig ist, dass wir intern einen sehr klaren Prozess haben. Wenn wir Gespräche parallel geführt haben und dann in den Medien daraus wird, dass es die A- oder die B- oder C-Lösung gibt, dann muss man das so hinnehmen. Wichtig ist, dass man bei einer Entscheidung am Ende komplett überzeugt ist.

Du hast immer betont, dass Du sehr viel Wert auf Vertragstreue und Verantwortung gegenüber dem Verein legst. Hilft das dabei den Job auch gerade in schwierigen Zeiten zu bewältigen?

Ja, das ist eine Grundeinstellung. Wenn man eine Aufgabe übernimmt, dann hat man eine Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern, aber auch den Vertragspartnern gegenüber, mit denen man vorher Verhandlungen geführt hat. Ob das jetzt Sponsoren, Banken oder auch Fanclubs sind. Zu seinen Zusagen sollte man stehen.

Du stehst bisher ja auch für Kontinuität.

Ja, ich war zehn Jahre in Stuttgart. Wenn mein Vertrag 2023 ausläuft, dann wäre ich zehn Jahre in Köln und ich glaube das sind beides Belege dafür, dass ich für Kontinuität stehe.

Warum ist es im Profifußball so schwierig, dass man nicht so kontinuierlich arbeiten kann, wie man es sich wünscht?

Das hängt auch vom jeweiligen Standort ab. Wie hoch ist der öffentliche Druck? Wird häufig ein Schuldiger gesucht? Zudem ist der Profifußball sehr schnelllebig. Da können fünf, sechs Niederlagen am Stück alles verändern. Dann nimmt der Druck zu. Zuerst wird auf der Trainer-Position gehandelt. dann geht es manchmal weiter nach oben.

Kann man vielleicht auch sagen, dass der Fußball ein sehr leidenschaftlicher Bereich ist, leidenschaftlicher als es ein normales Wirtschaftsunternehmen?

Natürlich. Bei uns spielen Emotionen eine ganz große Rolle. Davon leben wir ja auch und deswegen begeistern sich ja so viele Menschen für den Fußball in Deutschland. Deswegen tue ich mich schwer, mich darüber zu beschweren, denn das gehört zu dieser faszinierenden Branche dazu. Damit sollte man dann leben. Ich habe mich damit eigentlich ganz gut arrangiert.

Darauf wollte ich hinaus. Man kann es positiv drehen und eher die Herausforderungen statt der Probleme sehen.

Ja, das ist so. Aus jeder Krise lernt man. Auch wenn ich grundsätzlich gerne auf jede Krise verzichte. Aber es ergibt sich immer wieder eine Chance für einen Neuanfang. Die Erfahrungswerte, die man da mitnimmt, können einen stärken. Oft macht man im Erfolg die größten Fehler.

Du musst einerseits die Finanzen ordnen, also positive Zahlen generieren, aber auf der anderen Seite natürlich auch Investitionen ins Team zulassen und ins Risiko gehen. Beschreibe mal bitte Deinen inneren Zwiespalt.

Es ist kein Zwiespalt, es gibt eine ganz klare Zielsetzung, wir wollen sportlichen Erfolg. Das steht über allem, ohne dabei aber die wirtschaftliche Existenz des Vereins zu gefährden. Und darum geht's. Nach dieser Maxime versuchen wir bei allen Entscheidungen zu handeln. Wir haben so über die letzten Jahre sehr viel Eigenkapital aufgebaut. Wir haben ein sehr, sehr gutes Ranking bei den Banken. Nur deswegen war es überhaupt möglich, dieses Jahr die Investitionen zu tätigen, um wettbewerbsfähig zu sein. Denn oberstes Ziel ist es, den Klassenerhalt zu sichern. Das war vor der Saison so, das ist jetzt noch so. Trotz der Investitionen, die wir getätigt haben, gefährden wir aber nicht die Existenz dieses Vereins. Das ist für mich immer wichtig, also keine Lotterie zu spielen und kein unkalkulierbares Risiko einzugehen, sondern vernünftig zu handeln.

Von außen betrachtet ist es so, dass Du es nie allen recht machen kannst. Beim letzten Abstieg wurde Dir vorgeworfen, nicht genug in die Mannschaft investiert zu haben. Jetzt befürchtet man, dass im Falle eines Abstiegs eine finanziell bedrohliche Situation entstehen könnte. Was entgegnest Du Deinen Kritikern?

Wir haben ein finanzielles Fundament. Das ist das Entscheidende. Mit einem positiven Eigenkapital und mit einer Liquidität. Auch wenn sie diese Saison enger ist, weil wir mehr investiert haben. Aber eine Brückenfinanzierung ist auch immer nur dann möglich, wenn das Gesamtgebilde gesund ist. Sonst würde man gar keine Brückenfinanzierung hinbekommen. Von daher sehe ich das ziemlich entspannt.

Also ist die aktuelle wirtschaftliche Situation mit all den Ausgaben, die wir getätigt haben, weiterhin gut?

Wenn wir es gesamt betrachten. Klar, wir werden dieses Jahr finanziell zum ersten Mal, seit ich die Verantwortung habe, negativ abschließen. Es sei denn, es passiert noch etwas Außergewöhnliches. Aber das können wir uns leisten aufgrund der letzten Jahre, in denen wir Eigenkapital in Höhe von 38 Millionen Euro angespart haben. Die oberste Zielsetzung ist es, die Klasse zu halten. Wenn man es sich dann bilanziell leisten kann, dann muss man auch mal in der Lage sein, einen Verlust zu akzeptieren. Denn am Ende sind wir keine Bank, sondern ein Fußballverein.

Das heißt wir hätten im Extremfall noch Luft, den Kader in der Winterpause aufzufrischen.

Von der Liquidität, vom Finanzrahmen her ist es so. Aber wenn wir uns dafür entscheiden sollten, da was zu machen, dann muss man auf der Abgabenseite ebenfalls nachdenken. Wir wollen nicht mit zwei Mannschaftsbussen anreisen.

Wenn wir absteigen würden, könnten wir das finanziell verkraften?
Ja.

Kommen wir zu weiteren wichtigen Punkt, der auch viele umtreibt. Der Ausbau des Geißbockheims und der Trainingsplätze. Wie ist der Stand?

Der Stand ist unverändert. Wir befinden uns in einem Bebauungs- und Flächennutzungsplan-Verfahren, und da in der zweiten Öffentlichkeitsbeteiligungs-Phase. Wir sind also mitten in diesem Verfahren und haben fest vor, dieses Verfahren auch abzuschließen.

Es gibt keinen Plan B? Nicht nur meine eigene Wahrnehmung ist so, dass die Stadt auf Zeit spielt. Sie wird am Ende, das ist meine persönliche Meinung, den Antrag ablehnen. Muss der FC daher hier nicht mehr Handlungsfähigkeit demonstrieren und Plan B vorantreiben?

Wir sind jetzt erst einmal unseren 110.000 Mitgliedern verantwortlich, dass wir dieses Verfahren abschließen. Im Stadtrat gibt es aktuell eine Mehrheit dafür. Und was wir parallel oder danach oder in Zukunft vorhaben, das werden wir dann verkünden, wenn es soweit ist. Man ist immer gut beraten, intern zu sprechen und intern zu planen.

Seit August 2019 bist Du Mitglied im Präsidium der DFL. Wie wichtig ist das für den FC und was kannst du dort bewegen?

Ich werde auch immer die Positionen des 1. FC Köln dort vertreten, aber es geht ja insgesamt um die Zukunft des deutschen Fußballs und der Bundesliga bei all den Entscheidungen, die im Präsidium getroffen werden. Da geht es um ganz wichtige Fragestellungen. Ob das jetzt die 50+1-Regel, der TV-Vertrag, der Spielplan oder Regeländerungen sind, die über die internationalen Verbände an die nationalen Verbände herangetragen werden. Da versuche ich meinen Beitrag zu leisten. Zudem ist es gut, dass Vereine, die eher mittelständisch unterwegs sind wie der FC, dort eine Stimme bekommen und dass es nicht nur ausschließlich um die großen Vereine in der Bundesliga geht. Sondern, dass wir auch ein Gewicht haben und das ist mein Beitrag, den ich dort dazu leiste.

Ist der Videobeweis ebenfalls ein Thema. Man gewinnt den Eindruck, dass der Videobeweis und der FC keine Freunde sind. Sprichst Du dies im DFL Präsidium an?

Also, gefühlt ist es so, dass wir durch den Videobeweis in der letzten Zeit und auch in der Abstiegs-Saison nicht bevorteilt, sondern eher benachteiligt worden sind. Wenn man es objektiv betrachtet, dann gibt es auch andere Stimmen. Ich habe keine wissenschaftliche Analyse angestellt, aber natürlich wird das Thema Videobeweis auch bei der DFL und beim DFB zu Recht diskutiert. Wichtig ist, man muss die Fans und die Spieler bei so einem technologischen Fortschritt mitnehmen. Man darf sie nicht verlieren und man darf sie ja auch nicht frustrieren. Deswegen ist man da auch in der Diskussion. Inwieweit kann man auch den Fan im Stadion mitnehmen, denn vor den Fernsehgeräten geschieht dies besser. Grundsätzlich ist es so, dass trotz aller Technik immer noch Fehler gemacht werden. Der DFB hat sich bei uns nach der Fehlentscheidung des nicht gegebenen Handelfmeters gegen Mainz öffentlich entschuldigt. Immerhin, aber die Punkte fehlen trotzdem.

Ich persönlich sehe den größten Fehler in der Entscheidungshoheit des Schiedsrichters auf dem Platz. Ich finde man nimmt ihm nichts, wenn im Hintergrund eine objektive, menschlich und technisch unterstützte Videoanalyse die Entscheidung trifft. Ein Schiedsrichter vor Ort kann in einer Millisekunde selten alles richtig sehen und bewerten.

Darüber kann man grundsätzlich diskutieren. Dass die Entscheidungshoheit beim Schiedsrichter auf dem Platz liegt, das ist so festgelegt durch den Deutschen Fußball-Bund, der für die Schiedsrichter verantwortlich ist. Und keiner von uns weiß ja am Ende, wie in Mainz die Empfehlung des Videoschiedsrichters war. War es aus seiner Sicht ein klares Handspiel und der Schiedsrichter hat es dann subjektiv anders gesehen, weil er seinem ersten Impuls am Ende gefolgt ist, obwohl er einen anderen Hinweis bekommen hat? Das sind Dinge, die dann vielleicht auch mal gut im Nachgang aufgeklärt werden könnten. Ich interpretiere, dass die öffentliche Entschuldigung des DFB ein deutliches Signal war.

Kommen wir zum Schluss. Was wünschst Du Dir für den weiteren Verlauf der Saison?

Ich wünsche mir den Klassenerhalt, das ist unser oberstes Ziel. Und ich hoffe, dass wir wieder Ruhe und Geschlossenheit in den Verein bekommen. Interne Geschlossenheit aller Verantwortungsträger und aller Protagonisten ist die Basis. Das hat uns jahrelang ausgezeichnet und dahin wollen wir wieder zurückkommen. Denn es muss auch über die Saison hinaus unser Ziel sein, wieder als der liebenswerte und nach außen geschlossene 1. FC Köln wahrgenommen zu werden, den extrem viele Menschen in ganz Deutschland lieben.

Wo landen wir am Ende der Saison?

Ich bin fest vom Klassenerhalt überzeugt.

Vielen Dank für das Interview.