1.8.2016
"1998 ist für mich eine Welt zusammengebrochen, als wir abgestiegen sind. Dass der 1. FC Köln einmal aus der Bundeliga absteigen kann, war außerhalb meiner Vorstellungskraft." - Im zweiten Teil unseres Interviews, beantwortete die FC-Legende Wolfgang Weber Fragen zu der jüngeren Entwicklung des FCs, Europapokal-Ambitionen sowie dem "Münzwurf von Rotterdam":
Wir sitzen heute im Geißbockheim des 1. FC Köln. Du warst selbst jahrelang für den FC aktiv. Was empfindest Du heute, wenn Du die Franz-Kremer-Allee zum Geißbockheim fährst?
Ich bin hier letztendlich jeden Tag von Porz hingefahren, wobei man früher in 15 Minuten hier war, heute braucht man eine gute halbe Stunde durch den Verkehr. Mir kommen jedes Mal Gedanken hoch, wie gerne ich hierhergefahren bin, obwohl dies auch meist wegen des Trainings war, zum Beispiel wie unter Rolf Herings an einem Dienstagnachmittag. Das war natürlich schon sehr happig, wie sehr er uns hier durch die Gegend gescheucht hat.
Die Vergangenheit holt mich hier immer ein, zum Beispiel habe ich heute gesehen, dass der Haupttrainingsplatz von uns damals heute ein wahrer Rasenteppich ist. Wenn der Rasen damals schon so schön gewesen wäre, hätten wir kein einziges Mal verloren (lacht). Über das Jahr gesehen bin ich bestimmt zehn bis zwanzigmal hier.
Wie hast Du die jüngere Entwicklung des Vereins empfunden?
Es ist natürlich ein Gemeinschaftswerk von allen. Wenn man was Positives geschafft hat, muss ja erstmal kein Quertreiber dabei gewesen sein. Dabei muss man allen Leuten, die an der richtigen Stelle sitzen, ein großes Lob aussprechen.
1998 ist für mich eine Welt zusammengebrochen, als wir abgestiegen sind. Dass der 1. FC Köln einmal aus der Bundeliga absteigen kann, war außerhalb meiner Vorstellungskraft.
Aber man muss sich damit arrangieren und wir sind ja noch ein paar Mal auf und abgestiegen. Diese Zeit hat natürlich an den Nerven gezerrt, aber man muss dies auch realistisch sehen. In den meisten Fällen hatten wir auch keine wettbewerbsfähige Mannschaft, wobei natürlich da auch die Jungs ihr bestes gegeben haben.
Jetzt habe ich das Gefühl, dass eine Mannschaft auf dem Feld steht, die Charakter bewiesen hat und zusammenhält. Man muss immer für die Mannschaft sein bestes geben und seine persönliche Empfindlichkeiten zurückstellen. Ich glaube dieser Geist ist mittlerweile wieder spürbar. Gewinnen kann nun mal keiner alleine… das war jetzt aber ein Satz… (lacht). Und verlieren kann nun mal auch keiner alleine… Moment ich habe noch fünf Euro fürs Phrasenschwein… (lacht). Es scheint ja auch so, dass Horn und Hector bleiben werden, was mich sehr freut. Schade ist, dass Gerhard weggeht. Ein Erfolg der 60er Jahre wird die Nachwuchsförderung aus der engeren Umgebung gewesen sein. Ich würde mich sehr freuen, wenn Spieler wie Hartel, die aus dem eigenen Nachwuchsbereich hochgekommen sind, mehr gefördert werden. Das zeigt letztendlich, dass hier eine gute Nachwuchsförderung geleistet wird. Natürlich kann auch nicht jeder Nachwuchsspieler deutscher Meister werden oder in die Bundesliga kommen.
Hast Du einen Tipp für junge Spieler?
Ja. Es darf nie ums Geld gehen!
Ich habe viele Entwicklungen von jungen Menschen zum Profidasein erlebt. Und viele, die daran gescheitert sind. Als Musterbeispiel habe ich mal einen Spieler mit zwölf Jahren entdeckt, den ich an den FC weiterempfohlen habe. Er besaß überragende Spielerfähigkeiten und wurde schnell zum Juniorennationalspieler. Als er dann älter wurde, erwartete ich genau wie viele andere im Verein, dass er es auch in den Profibereich schaffen würde. Doch das geschah leider nicht.
Ich glaube, dass es hierbei am Vater lag, was natürlich Spekulation ist, jedoch spielte bereits schon hier Geld eine zu große Rolle, da der Vater Angst hatte, dass sein Sohn zu wenig Geld verdienen würde. An diesem Druck ist letztlich die Karriere gescheitert.
Wie weit kann der FC in den nächsten Jahren kommen?
Nach dem Spiel in Mainz habe ich tatsächlich auf die Tabelle geschaut, ob der FC noch ins internationale Geschäft kommen kann. Ein Beispiel hierfür ist Augsburg, wobei der Verein wahrscheinlich noch finanzkräftiger sein wird. Uns Kölnern sagt man wahrscheinlich nach, dass wir größenwahnsinnig sind, wobei ich es besser finde, wenn man sich die Ziele höher steckt. Erstmal ist natürlich wichtig, dass der Verein die erste Bundesliga hält und irgendwann wird der FC auch mal überraschen können und sich für den internationalen Wettbewerb qualifizieren.
Warum sollen wir irgendwann auch nicht mal eine Rolle spielen wie Hertha BSC in der letzten Saison. Was spricht dagegen? Ich habe nichts dagegen (lacht).
Beim ersten Auswärtsspiel des FCs im internationalen Wettbewerb bin ich sicherlich dabei.
Im Viertelfinale des Europapokals der Landesmeister am 24. März 1965 gegen den FC Liverpool brachst Du Dir das Wadenbein und spieltest trotzdem durch. Nicht nur aus diesem Grunde ist das Spiel legendär. Im „Münzwurf von Rotterdam“ wurde das Spiel letztendlich zugunsten des FC Liverpool entschieden und der FC war ausgeschieden. Eine Regelung, die aus heutiger Sicht nicht mehr vorstellbar wäre.
Ich habe während des Spiels einfach weitergespielt, weil man zu dieser Zeit noch nicht auswechseln konnte und ich die Jungs auch nicht im Stich lassen wollte. So musste ich auch in der zweiten Halbzeit und die Verlängerung weiterspielen. So spielte ich 75 Minuten mit gebrochenem Wadenbein auf der rechten Seite, wobei ich noch zwei Möglichkeiten hatte, ein Tor zu schießen. Das hatte so aber nicht mehr geklappt. Wir hatten in der Spielzeit noch ein reguläres Tor, welches abgepfiffen wurde. Das ärgert mich heute noch am meisten. In allen Spielen können die Mannschaften stolz auf sich sein. In Rotterdam hat der FC eineinviertel Stunden zu zehnt gegen einen europäische Spitzenmannschaft gespielt und ein 2:2 gehalten. Darauf konnten wir verdammt stolz sein. Und nach so einer tollen Leistung wird dann ein so wichtiges Spiel durch eine Münze entschieden. Als es zu dem Münzwurf kam, saß ich am Mittelkreis mit gebrochenem Wadenbein und wollte aufgrund meiner Schmerzen schnell in die Kabine. Erst später habe ich erfahren, dass beim ersten Mal die Münze im Morast stecken blieb. Das muss man sich mal vorstellen, dass sowas damals möglich war. Eine Münze entscheidet über das Weiterkommen! Auch aufgrund dieser Tatsache haben die Funktionäre später den Münzwurf abgeschafft und durch das Elfmeterschießen ersetzt. Im Elfmeterschießen kann man zumindest Aussagen treffen, welche Mannschaft mehr Ausdauer hat und sicherer im Schießen ist. Das ist ein Kriterium, das mit Leistung zu tun hat und damit viel fairer ist. Letzten Endes hatte das Spiel also auch etwas Positives.
Du bist mit sechs Jahren aus Pommern nach Köln gekommen. Hast Du dich in Köln schnell heimisch gefühlt? Wie nimmst Du die aktuelle Flüchtlingskrise wahr?
Ich war sechs Jahre alt, als ich von Pommern nach Köln gekommen bin. Mein Vater wurde mit seinem Regiment im Zweiten Weltkrieg nach Frankreich geschickt und machte auf dem Weg dorthin schon 1942 ein Foto vor dem Kölner Dom, als ob da schon ein Draht zu Köln bestanden hatte. 1944 wurde ich geboren und 1950 bin ich im Zuge der Familienzusammenführung ins Rheinland gekommen. Es ist natürlich schon ein gewaltiger Unterschied zu der heutigen Situation, weil ich selbst Deutsch gesprochen habe. Zwar wurde ich anfangs als Zugezogener wahrgenommen, bin aber über die Jahre zu einem echten Kölner geworden.
Oder wie die Bläck Föös es so schön besungen haben:
Su simmer all he hinjekumme,
mir sprechen hück all dieselve Sproch.
Mir han dodurch su vill jewonne.
Mir sin wie mer sin, mir Jecke am Rhing.
Dat es jet ,wo mer stolz drop sin.
Schöner kann man es nicht zusammenfassen.
In der Tat. Ein wunderschöner Abschluss und herzlichen Dank für das Interview!